Freitag, 31. August 2012

Es war Mord! Oder: Ich mach mir mein Butterbrot


„… oh Hänsel, welche Not, sie wollt dich braten im Ofen braun wie Brot …“ Nun bin ich ja keine irre Tatort-Psychopathin, die Kinderlieder pfeift, während andere ihr Leben lassen müssen. Ich habe Hänsel nicht umgebracht. Aber das Leben vieler anderer Geschöpfe, das habe ich ausgelöscht. KaltHeißblütig, bei 225 °C. Sagt man doch, dass er lebt, der Sauerteig.

Sauerteig ist ein herrlich archaisches Triebmittel beim Brotbacken. Er funktioniert, weil er lebt: In ihm sind Milchsäurebakterien und Sauerteighefen enthalten, die unentwegt arbeiten. Sie produzieren fleißig Milchsäure, Essigsäure und Kohlendioxid, auch Spuren von Ethanol sind dabei. Diese Stoffwechselprodukte lockern den Teig und verbessern Textur, Verdaulichkeit, Aroma, Geschmack und Haltbarkeit des Brotes.

Gutes Brot ist heute leider keine Selbstverständlichkeit mehr. In Zeiten von Plastiksackschnittbrot, Backmischungen und Einheitsgeschmack erscheint es mir sinnvoll, das Brotbacken einigermaßen zu beherrschen. Ich formuliere das so, weil viele meiner früheren Backversuche genau das waren: Einigermaßen. Mit einem milden und nachsichtigen Lächeln etikettiert. Ausgebremst durch vorsorglichen Broteinkauf beim Bäcker, schon zwei Tage, bevor es eigentlich notwendig gewesen wär.

Mit dem Sauerteig scheint nun alles anders zu sein. Das Brot hat geschmeckt. Sogar „wie vom Bäcker“. Es war aber gar nicht so einfach mit dem Kerl, denn er hat sich anfangs ganz schön gesträubt. Erster Versuch: verdorben. Zweiter Versuch: schimmlig. Ja, grauslich, ich weiß. Aber beim dritten Versuch, da hats funktioniert. Nach ein wenig Recherche weiß ich, dass das mit dem Sauerteig auch ein bissl ein Glücksspiel ist. In ihm tobt zu Beginn ein Kampf: Jede Art von Lebewesen, die im Wasser, im Mehl und in der Luft vorhanden ist, möchte sich durchsetzen und ein Milieu schaffen, in dem es sich aushalten lässt. Gewinnen die Milchsäurebakterien die Oberhand, dann hat man auch selbst gewonnen. Ob einem dieser Erfolg gegönnt ist, hängt von vielen Faktoren ab, auch vom Zufall. Grundsätzlich ist es aber so: Beim Sauerteigansetzen muss man sehr sehr sauber arbeiten, der Ansatz darf weder zu kalt noch zu warm noch zu kurz noch zu lang stehen.


Sauerteig-Ansatz

Tag 1: 50 g Roggenmehl und 50 ml lauwarmes Wasser in einer sehr sauberen Schüssel (ich entkeime sie vorher mit kochend heißem Wasser) verrühren. Die Schüssel mit dem Deckel verschließen und 24 bis 48 Stunden an einem warmen Ort stehen lassen.

Tag 2: Der Teig riecht nun schon leicht säuerlich, Luftbläschen sind sichtbar (wenn er verdorben oder stark nach Essig riecht, muss er neu angesetzt werden). Den Grundansatz mit 50 g Roggenmehl und 50 ml lauwarmem Wasser füttern, alles wieder verrühren und weitere 12 Stunden abgedeckt stehen lassen.

Tag 3: 100 g Roggenmehl und 100 ml lauwarmes Wasser dazugeben, verrühren und weitere 12 Stunden stehen lassen.

Nun ist der Sauerteig fertig. Er soll angenehm säuerlich riechen. 2 – 3 EL (etwa 50 g) davon in einen kleinen sauberen Behälter mit Deckel geben und für den nächsten Backtag aufbewahren (siehe weiter unten).

Mit Sauerteig backen: Roggenmischbrot

Zutaten für 1 Kastenform

200 g Roggenmehl
150 g Weizenmehl
¼ TL Zucker
2 – 3 TL Salz
1 – 2 EL Brotgewürz
¼ Packerl Germ
etwa 150 ml lauwarmes Wasser
der Sauerteig (etwa 350 g)

1. Mehl mit Zucker, Salz und Brotgewürz vermischen.

2. Germ im lauwarmen Wasser auflösen.

3. Wasser und Sauerteig zur Mehlmischung geben und alles mit dem Knethaken der Küchenmaschine gut durchkneten. Der Teig ist eher weich und feucht.

4. Mit ein wenig Mehl bestreuen und zugedeckt etwa 15 – 30 Minuten gehen lassen.

5. Eine Kastenform mit Backpapier auslegen (ich lege meist nur den Boden aus). Den Teig zu einer Rolle formen (er klebt, daher mit etwas Mehl oder feuchten Händen arbeiten) und in die Form legen. Abgedeckt 1 Stunde gehen lassen.

6. Backofen auf 225 °C vorheizen und eine kleine ofenfeste Schüssel mit Wasser hineinstellen.

7. Das Brot etwa 70 – 80 Minuten backen. Sollte das Brot auf der Oberseite schon recht dunkel werden, mit Alufolie abdecken und fertig backen.

Das Brot lässt sich verfeinern, mit Nüssen, Kernen und Samen, mit Röstzwiebeln, Speck, und Kräutern, mit Oliven, Käse, undundund. Je nachdem, wie groß die Menge der zusätzlichen Zutaten ist, empfiehlt es sich dann, ein wenig vom Mehl wegzulassen (nicht ganz die Menge der zusätzlichen Zutaten).

Sauerteig aufbewahren

Wer nicht bei jedem Backen neu mit dem Sauerteig beginnen will, kann einen kleinen Rest Sauerteig (2 – 3 EL, ca. 50 g, siehe oben) aufheben und sich dann beim nächsten Mal den ersten und zweiten Ansatztag sparen. Sauerteig lässt sich am besten in einem verschlossenen Schraubglas im Kühlschrank aufbewahren. Dort hält er etwa eine Woche. Das bietet sich an, wenn regelmäßig gebacken wird. Einen Tag vor dem Backen den Sauerteig wiederbeleben – siehe unten.

Sauerteig lässt sich aber auch einfrieren. Rechtzeitig vor dem nächsten Backtag auftauen lassen und wiederbeleben.

Eine Alternative zum Einfrieren ist die Herstellung von so genanntem Krümelsauer: Den Sauerteig mit viel Mehl abbröseln und auf Backpapier zum Trocknen auslegen. Wenn sie gut trocken sind, lassen sich die Brösel in gut verschlossenen Schraubgläsern sehr lange aufbewahren - perfekt für Bäckerinnen, die unregelmäßig Brot backen.

Sauerteig wiederbeleben

Bei Sauerteig aus dem Kühlschrank: Die 2 – 3 EL Sauerteig vom letzten Ansatz mit 175 g Roggenmehl und 175 ml lauwarmem Wasser vermischen und 12 – 24 Stunden abgedeckt an einem warmen Ort stehen lassen.

Bei tiefgekühltem Sauerteig: Rechtzeitig vor dem nächsten Backtag auftauen lassen. Dann wiederbeleben wie beschrieben.

Bei Krümelsauer: Die benötigte Menge Sauerteigbrösel mit warmem Wasser vermischen und wiederum 12 – 24 Stunden an einen warmen Ort stellen.

Schon ist der Sauerteig für das nächste Brot fertig und der Kreislauf aus Backen, Aufbewahren und Wiederbeleben kann von vorn beginnen!

Sauerteigbrot genießen

So, und was gibt es dann Besseres als frisch gebackenes, fein säuerliches Brot?
Mmh.
Frisch gebackenes, fein säuerliches Brot mit rahmiger Butter und knackigem Schnittlauch, eh klar. Dafür lass ich vieles stehen.

 


Meine Süßrahmbutter habe ich diesmal auch selbst gemacht: Einfach einen Becher Schlagobers mit dem Mixer so lange rühren, bis sich das Fett vom wässrigen Anteil des Rahms (der Buttermilch) trennt. Das Fett dann kurz mit den Händen unter kaltem Wasser kneten, damit das restliche Wasser austritt, dann auf Pergamentpapier legen und leicht salzen.
Die zurückgebliebene Buttermilch durchseihen und pur trinken oder mit Fruchtmus oder Saft eine Fruchtbuttermilch draus machen.

P.S.: Wer es einfacher haben will: Sauerteig im Packerl gibt es auch. Der ist aber längst nicht so gut. Besser: Einfach mal beim Bäcker oder Bioladen des Vertrauens nachfragen. Von meiner über 80-jährigen Bioladen-Chefin hörte ich vor einiger Zeit den Satz: „Meine Kunden bekommen meinen Sauerteig umsonst.“ Und schon war eine Portion allerfeinster Sauerteig in meinen Einkaufskorb gewandert.

Das ursprüngliche Brotrezept stammt von hier, die Butter-Idee von Jamie Oliver.
Dienstag, 28. August 2012

Erntedankmultikul(t)inarium

Diese Fülle an Früchten, Kräutern und Gemüsesorten, die da gerade vom Baum in den Mund, vom Feld in die Pfanne, von der Wiese auf mein Teller wandert, ist überwältigend. Ich würdige sie mit einem farbenfrohen Sommermenü für zwei, einem Kunterbunt an Geschmäckern, Düften und Mundgefühlen.



Rotkraut mit Brombeeren

½ kleinen Kopf Rotkraut fein hobeln, salzen, leicht zuckern und gut durchkneten. Eine Handvoll Brombeeren pürieren und durch ein Sieb streichen (Unbedingt! Vor lauter Schnellschnell hab ich drauf verzichtet – und die Kerne haben mich dann doch sehr gestört). Das Brombeerpüree mit etwas Honig, Himbeeressig und Walnussöl verrühren. Unter das Kraut mischen, salzen und pfeffern und zugedeckt etwas durchziehen lassen. Anrichten und mit ein paar Walnusskernen (angeröstet wär auch nicht schlecht) und einigen ganzen Brombeeren bestreuen.


Gemüse-Pakoras mit Gurken-Minzjoghurt

100 g Kichererbsenmehl mit 1 gehäuftem TL Salz, 1 gestrichenen TL Currypulver und einer Messerspitze Kreuzkümmel vermischen. Mit 1 Ei und 100 ml kaltem Wasser zu einem glatten Teig verrühren. 1 kleine Zwiebel in Streifen schneiden, eine Handvoll Karfiol zu kleinen Röschen zerteilen und 2 kleine Tomaten entkernen und würfeln. Das Gemüse gemeinsam mit einigen Erbsen unter den Teig rühren. Etwas Öl in einer beschichteten Pfanne erhitzen und 6 kleine Puffer darin ausbacken. Auf Küchenpapier abtropfen lassen und bei Bedarf noch im Ofen bei 80 °C warm halten.
10 Minzblätter in Streifen schneiden. ½ Gurke entkernen und in feine Scheiben hobeln. Die Gurken leicht salzen, ein bisschen stehen lassen und dann gut ausdrücken. Mit einem kleinen Becher Joghurt (10%iges ist ideal) und der Minze vermischen, mit Salz, Pfeffer und einer Prise Zucker abschmecken.

Pakoras sind in Indien und Pakistan beliebte Snacks, die auch oft an Straßenständen verkauft werden. Sie sind ideal zum Verarbeiten von Restlgemüse.


Apfelmus vom Gravensteiner

Einige Stück vom Gravensteiner Apfel schälen, in Spalten schneiden und das Kerngehäuse entfernen. In wenig Wasser oder Apfelsaft und etwas Zitronensaft weich dünsten und abkühlen lassen. Pürieren und mit Zucker, gemahlenem Ingwer und Vanille nach Geschmack würzen. In Gläser füllen und mit einer Schlagobershaube (die auf keinen Fall zu klein sein darf!) krönen.


Inspiration für die Rezepte fand ich bei: Living at Home.
Samstag, 25. August 2012

Dahoam

Eine kleine Reportage in Bildern, ohne große Worte:

Ein erster Blick hinein, ins Mühlviertel.

Das ist einer der letzten strohgedeckten Bauernhöfe in dieser Region. Hier wurden die „Siebtelbauern“ gedreht und …

… natürlich ist dieses Kleinod denkmalgeschützt. Durch seine Tür durfte ich schon eintreten – und bei Georg Friedl „mühlvierteln“.

 
Die Straßen und Wege sind mit Marterln, Kapellen und Totenleuchten gesäumt – erst jetzt fällt mir das auf.

Was für ein munteres Durcheinander auf der fetten Weide …

Strahlenmotive und Sonnensymbole finden sich an Tür und Tor.

 
Alles blüht im Übermaß: Die Sonnenblumen, der Quendel.

Das typische Antlitz vieler Mühlviertler Höfe: „Stoabloß“. Nur die Fugen zwischen den unregelmäßigen Granitsteinen sind weiß verputzt.

 
Alte Traditionen werden wiederbelebt: Das Brot aus diesem Backhäusl bei der Burgruine Prandegg, es schmeckt.

Das ist Heimat. Meine.
Dienstag, 21. August 2012

Die denkt wohl, sie wär was Besseres ...


Ja, zugegeben, sie sieht verdammt gut aus. Trés chic, um ehrlich zu sein, alle waren von ihr angetan, auch die Frauen. Als dann aber der Fototermin anstand, weigerte sie sich, sich von mir und meiner Hobbykamera ablichten zu lassen. Sie brauche Professionalität und Stil meinte sie, nur so wäre ihr Look, obwohl natürlich unübersehbar, ins wahrhaft rechte Licht gerückt.

Also das ist doch … Die denkt wohl … Ja wo kommen wir denn da hin?

Mmh, wo wir da hinkommen? Keine Ahnung. Was ich aber weiß ist, wo ich gerne hinkommen würde: Ins nächste Fotogeschäft. Eine tolle Kamera kaufen, genau so eine wie die meines Foodfotografie-Lehrlings E. (so hat er sich selbst bezeichnet). Dann würde sich keines meiner Genussprojekte mehr zieren …

Danke S. für das wunderbare Sommerfest! Danke E. für deine Zeit und diese wunderschönen Bilder!


Fesche Sommerbowle

500 g kleine Erdbeeren
150 g Heidelbeeren
150 g Himbeeren
¾ Flasche Martini Bianco
2 Flaschen Prosecco
1 Flasche prickelndes Mineralwasser
Bei Bedarf: Eiswürfel

1. Erdbeeren vierteln, mit den Himbeeren und den Heidelbeeren in eine Schüssel geben. Mit Martini übergießen und über Nacht ziehen lassen.

2. Kurz vorm Servieren mit Prosecco und Mineralwasser aufgießen.

3. Nach Wunsch noch Eiswürfel dazugeben.
Freitag, 17. August 2012

Vorgestern kein Dreikaffee


Morgen war gestern und nicht heute ... Aber die Fortsetzung, die bleibt die gleiche:
Ein Kollege hat mir einmal erzählt, in seinem Haus würden drei Generationen zusammen leben. Und jeden Tag gäbe es den Dreikaffee: Ein obligatorisches und ungezwungenes Beisammensein um drei am Nachmittag, Klatsch und Tratsch bei Kaffee und Kuchen, meist wären es natürlich die Frauen, die sich solcherart treffen (natürlich…), aber hin und wieder wäre auch er dabei (hin und wieder…).
Das klingt gemütlich und ich mag diesen Ausdruck: Dreikaffee. Und weil ich anfällig bin für Gemütlichkeit und schöne Worte, war vorgestern, an Mariä Himmelfahrt, auch ein Mariendreikaffee geplant. Leider wurde daraus nichts. Die Marienküchlein waren vorher schon weg.

Marienküchlein

Zutaten für etwa 25 Stück

¼ l Milch
100 g Butter, in Stücke geschnitten
½ Packung frische Germ
550 g Mehl
75 g Zucker
1 Prise Salz
Schale von ½ Bio-Zitrone
1 TL Vanillezucker
2 Eier
Milch zum Bestreichen
Hagelzucker zum Bestreuen

1. Milch mit der Butter leicht erwärmen, Germ darin auflösen.

2. Mehl mit Zucker, Salz, Zitronenschale und Vanillezucker vermischen, die Milchmischung und die Eier hinzufügen und alles mit dem Knethaken zu einem glatten, geschmeidigen Teig verrühren. Eventuell mit Mehl oder Milch die Konsistenz einstellen – das ist beim Germteig ein bissl eine Gefühls- (bzw. Erfahrungs-)Sache. Der Teig sollte nicht zu fest sein, aber auch nicht mehr klebrig. Wenn er sich von der Schüssel löst und dabei noch weich und elastisch ist, ist er gut.

3. Den Germteig zugedeckt an einem warmen Ort etwa 1 Stunde gehen lassen.

4. Teig auf einer bemehlten Fläche gut durchkneten und fingerdick ausrollen. Mit einem Trinkglas Kreise ausstechen (mein Glas hatte einen Durchmesser von ca. 8 cm) und auf ein mit Backpapier ausgelegtes Blech legen. Abdecken und nochmals 20 Minuten gehen lassen.

5. Backrohr auf 170 °C vorheizen.

6. Die Küchlein mit Milch bestreichen und mit Hagelzucker bestreuen.

7. Etwa 20 Minuten goldgelb backen.



Die Küchlein sind in manchen Kochbüchern mit katholischem Hintergrund zu finden und wurden traditionell an Marienfeiertagen gebacken. Ich kann mir folgende Variationen vorstellen:
* Mit Milch bestreichen und dann die Oberseite in groben Kristallzucker tauchen.
* Blütenblätter einbacken.
* Würzige Wiesenkräuter einbacken, dann den Zucker weglassen und etwas mehr salzen.
Mittwoch, 15. August 2012

Im Marienmonat


Zu Mariä Himmelfahrt, so heißt es, haben die Kräuter eine ganz besondere Kraft. Es hat eine jahrhundertealte Tradition, an diesem Tag, dem 15. August, Kräutersträuße zu binden, aus Königskerze, Johanniskraut, Dost, Schafgarbe, Beifuß, Kamille, Rainfarn und vielen Pflanzen mehr, und feierlich zu segnen. Beim Esstisch im Herrgottswinkel oder auch im Stall aufgehängt, sollten sie Mensch und Vieh vor Unheil bewahren. Bei Krankheiten wurden sie als Tee gereicht oder den Tieren ins Futter gemischt. Und bei einem Gewitter warf man einige Kräuter ins offene Feuer, um das Haus vor Blitzschlag zu schützen.

Auch heute noch wird dieser Brauch gepflegt, in der einen oder anderen Form. Bei uns sind es beispielsweise die Frauen der Goldhaubengruppe, die ihn in Form des Kräutersonntags am Leben erhalten.

Mit Mariä Himmelfahrt beginnen außerdem die Tage des so genannten „Frauendreißigers“, die wichtigste Kräutersammelzeit unserer Vorfahren. An den folgenden 30 Tagen (bis zum 12. September, Mariä Namen) galten die Kräuter als besonders heilkräftig – und tatsächlich, so weiß man heute, entfalten viele Pflanzen in dieser Zeit ihr Wirkungsoptimum.

Ich habe diesen Marienmonat mit einer kleinen Kräuterwanderung und einer Wiederbelebung begonnen. Was für ein Krach! Aber alles funktioniert noch tadellos bei meiner König Getreidemühle, die in der letzten Zeit ganz viel mehr Deko-Element war denn Gebrauchsgegenstand. Das soll sich wieder ändern!

 


Von meiner Wanderung habe ich frische Kräuter mitgebracht, voller Kraft also an diesem 15. August und voller Sonnenenergie. Eine einfache Grünkernsuppe habe ich ausprobiert, mit 9 verschiedenen Kräutern von Wiese und Balkon:

Grünkernsuppe mit neunerlei Kräutern

(nach einem Rezept aus „Mühlviertler Küche“ von G. Friedl, erschienen im Verlag Bibliothek der Provinz)


Zutaten für 4 Portionen

2 EL mittelfeiner Grünkernschrot
1 EL Butter
¾ l Hühnersuppe
¼ l Sauerrahm
1 EL glattes Mehl
8 EL fein gehackte Kräuter (zu gleichen Teilen Brennnessel, Schafgarbe, Giersch, Zitronenmelisse, Löwenzahn, Frauenmantel, Petersilie, Salbei, Quendel)
Salz, Pfeffer, Muskat


1. Grünkernschrot in Butter leicht anrösten.

2. Mit heißer Suppe aufgießen und aufkochen.

3. Sauerrahm mit Mehl und etwas Wasser versprudeln und in die leise köchelnde Suppe einrühren.

4. Aufkochen und einige Minuten leise köcheln lassen.

5. Vor dem Servieren mit den Kräutern vermischen und mit Salz, Pfeffer und Muskat abschmecken.

Anmerkungen: Georg Friedl hat auch Liebstöckl und Pimpernelle (kleiner Wiesenknopf) in seiner Kräutermischung. Beide habe ich aber frisch nicht zur Hand und daher durch Giersch und Quendel ersetzt. Die Suppe schmeckt sehr fein – das Kräuteraroma, das im Mund zurück bleibt, ist unvergleichlich.
  

Und welche süße Fortsetzung dieser hochheilige Marienfeiertag noch erfahren hat, erzähle ich morgen.
Dienstag, 14. August 2012

Vanilla dilution

 

Als ich schon ein wenig älter, aber immer noch Kind war, hatte ich eine Lieblingsspeise:  Einen Becher Naturjoghurt, glatt gerührt mit einem Packerl Vanillezucker. Ich war ganz süchtig danach, die Sucht kam in Schüben, hielt sich aber über mehrere Jahre. Den Geschmack habe ich noch immer auf der Zunge, ebenso das Knistern zwischen den Zähnen, weil sich der Zucker im kalten Joghurt nie ganz aufgelöst hat. Der Zucker damals war Vanillinzucker, keine Spur von echter Vanille, aber das hat mich nicht gestört.

Heute kommt mir synthetischer Vanillinzucker nicht mehr in die, geschweige denn aus der Tüte. Irgendwann hab ich mich von ihm verabschiedet, ich weiß nicht mehr wann. Die echte Vanille hat mich für dieses künstliche Aroma verdorben. Sie ist meine Geschmacksfreundin, eine betörende Genussverstärkerin.

Meinen Vanillezucker stelle ich auf die – so behaupte ich – einfachste Art und Weise her: Durch Verdünnung.

Vanillezucker

 

Als Basis verwende ich Vanillezucker mit einem hohen Anteil an gemahlenen Schoten – gibt’s von mehreren Bio-Anbietern, meist im 150 g-Sackerl. Den vermische ich mit Kristallzucker, in einem Verhältnis von mindestens 1:3.
Alternativ verwende ich auch gerne reines Vanilleschotenpulver, zum Beispiel von Sonnentor, das sich natürlich noch stärker „verdünnen“ lässt.
Ausgekratzte Vanilleschoten kommen ebenfalls ins Glas und verstärken das Aroma zusätzlich.
1 Esslöffel dieser Mischung entspricht 1 Packerl Vanillezucker.

Zum gleich Ausprobieren:

Vanillepudding

 

Zutaten für 4 Portionen

300 ml Milch
200 ml Obers
3 EL Vanillezucker
6 TL Speisestärke (etwa 35 g)
1 - 2 Dotter

1. Milch und Obers vermischen, 400 ml davon erhitzen.

2. In die restlichen 100 ml der Milch-Obers-Mischung den Vanillezucker, die Speisestärke und die Dotter einrühren und ordentlich versprudeln.

3. Sobald die Milch-Obers-Mischung kocht, das Vanille-Gemisch einrühren, den Herd ausschalten und die Mischung auf der ausgeschalteten Herdplatte weiter rühren, bis sie eindickt. Dabei sollte sie jedoch nicht aufkochen, da sonst die Dotter gerinnen.

4. In kleine Schüsselchen füllen und abkühlen lassen.

Für hausgemachte Vanillesauce nur die Hälfte der Speisestärke nehmen.


P.S.: Das erste Foto in diesem Beitrag, das hat mein Minimädel gemacht. J
Freitag, 10. August 2012

Für Schokoladen-Fruchtzwerge


Dieses fesche Obst, das da im Goldrandgeschirr meiner lieben Oma auf seine Bestimmung wartet, nahm mit Freuden ein Bad in herrlich duftendem Schokoteig. So was Feines.


Ein Kuchen für alle Fälle:
* Oft erprobt.
* Verwertet Obstreste.
* Saisonal.
* Befriedigt Schokoholics und Fruchtfreaks. Gleichzeitig.
* Äußerst attraktive Erscheinung.
* Geht einfach und schnell.
* Grandios in Geschmack und Textur.


Ihr seid noch da? Noch nicht in der Küche? Gibt’s doch nicht… Ach ja, das Rezept!

Schoko-Saisonobst-Kuchen

Zutaten für 1 mittelgroßes Blech

150 g Butter
150 g gute Schokolade
4 Eier
130 g Zucker
1 EL Vanillezucker
2 EL Rum
150 g Mehl
1 TL Backpulver
Etwa 1 kg Saisonobst (Marillen, Zwetschken, Apfelspalten, Kirschen, Himbeeren, Heidelbeeren, Holunder,…)

1. Backrohr auf 180 °C vorheizen.

2. Butter und Schokolade schmelzen.

3. Eier mit Zucker und Vanillezucker schaumig rühren.

4. Rum, die Schokomischung sowie das mit Backpulver vermischte Mehl unter den Eischaum rühren.

5. Die Masse auf einem mit Backpapier ausgelegten Blech glattstreichen.

6. Mit halbierten / zerkleinerten Früchten belegen.

 


7. Etwa 30 Minuten backen.

8. Eventuell noch mit Staubzucker bestreuen.


Schokoladen-Fruchtzwerge, die gibt’s übrigens wirklich! Wäre interessant, was die zu diesem Kuchen sagen. J
Dienstag, 7. August 2012

Schiache Golatschen und ein freches Foto noch dazu


Ausgehend von Kathas Topfengolatschen-Diskurs und der damit verbundenen selektiven Rezeptewahrnehmung stach mir kürzlich diese Backanleitung ins Auge: Topfengolatschen „leicht gemacht“.
Ich fand die doppelte Topfen-Idee reizvoll, Topfen im Teig und in der Füllung. Das blättrige, appetitlich gebräunte Äußere, das mein inneres Ohr sanft knuspern hörte. Rumrosinen, mmmh. Und Golatschen aus fertig gekauftem Blätterteig und abgepackter Topfenfülle sind ja nun wahrlich keine Kunst. Also Topfengolatschen. „Leicht-ge-macht“.

Vielleicht hätten mich die Anführungsstriche stutzig machen sollen. Vielleicht hätte ich auch nicht so gutgläubig sein sollen (eine Eigenschaft, die mein Bruder bei vielen sich bietenden Gelegenheiten nutzt, um mich gehörig zu frotzeln). Auf jeden Fall: Meine Golatschen sahen so aus:


Die Golatsche, die da so keck ihre Topfenzunge rausstreckt, war noch die Schönste im Mädelland. Die meisten kamen so aus dem Ofen:


Oder gar so:



Nun kann man natürlich dagegen halten, dass ich kein Backprofi bin. Dass ein Topfen-Öl-Teig von vornherein nicht federleicht blättern kann. Dass ich den Teig nicht dünn genug ausgewalkt und die Quadrate viel zu klein geschnitten habe. Aber dass DIESER Teig so blättrig und knusprig wie auf DEM Foto wird: No way.

Ich finde, Rezeptbilder müssen authentisch sein. Natürlich wird hier und da getrickst, das ist ja klar. Aber wenn Wunsch und Wirklichkeit so gar nicht recht zusammengehen, dann bin ich einfach nur enttäuscht. Vom Rezept, vom Autor, vom Verleger.


Dabei ist dieses Topfengolatschen-Rezept durchaus eins zum Ausprobieren. Die Dinger sind geschmacklich einwandfrei, sie sind gut, aber halt anders gut. Am besten sind sie frisch aus dem Ofen, mit Zucker bestreut. Beim nächsten Mal würde ich die Zitronenschale in die Fülle geben und nicht in den Teig. Und ganz wichtig: Die Teigquadrate müssen groß genug sein. Weil der Teig sehr elastisch ist und sich dadurch immer wieder ein wenig zusammenzieht, sollte man ihm beim Auswalken genug Zeit lassen, damit er sich auseinander dehnen kann.

Und wegen dem Foto, da drück ich halt jetzt noch mal ein Auge zu. Wer ohne Sünde ist, der werfe die erste Golatsche.
Freitag, 3. August 2012

Ein Engel steht im Walde


Es war eine sonderbar düstere, esoterische, fast bedrohliche Stimmung, die mich umfangen hatte, als ich das erste Mal auf die Engelwurz traf. Der Regen tropfte von meinen Haaren, ich war nass bis auf die Knochen. Die Stimme neben mir erzählte von längst vergangenen Zeiten: Von Engelmacherinnen, die diese Pflanze hochdosiert nutzten, um „Frauen in schwierigen Situationen zu helfen“. Von eigens angelegten Engelwurzgärten, von der überragenden Heilkraft dieser Pflanze und von vielen bekannten Arzneien, in denen sie enthalten ist – in den Schwedenkräutern der Maria Treben beispielsweise, aber auch im Melissengeist der Karmeliternonnen, im Vierräuberessig (einem alten Rezept aus der Zeit der Pest-Epidemie in Toulouse und Marseille) und im Chartreuse-Likör der französischen Kartäusermönche.


Diese Begegnung, es war während meiner Ausbildung zur Wildkräuterpädagogin, hat mich auf eigenartige Weise berührt und beeindruckt, verwirrt, aufgewühlt, auch ehrfürchtig gemacht.
Stehe ich heute vor einer Engelwurz (es ist gar nicht so leicht, sie zu finden), spüre ich ihre Kraft. Noch immer, schon wieder. Klingt das verrückt? Seltsam? Oder nachvollziehbar, spannend, schön?


Schön finde ich auf jeden Fall die kulinarischen Möglichkeiten, die die Engelwurz mit sich bringt. Für die Küche werden vor allem die jungen, saftigen Stängel geerntet, am besten noch bevor sich die Blüte voll entwickelt hat (dies geschieht ab Mitte Juli). Ihr Geschmack ist süßlich, leicht herb, ein wenig scharf und erinnert mich an getrocknete oder kandierte Ananas. Ihr Saft duftet (für mich) intensiv nach frischem Koriander (einem Kraut, das ich eigentlich nicht so gern mag, aber hier stört es mich nicht).


Für das Sammeln der Engelwurz empfiehlt es sich, einen Wildkräuterkenner an seiner Seite zu haben – zumindest zu Beginn. Sie gehört nämlich zur Familie der Doldenblütler, von denen es hierzulande eine Vielzahl gibt und die teilweise auch giftig sind (Schierlingsbecher sag ich nur). Die dickeren, hohlen Blütenstängel schäle ich meist (dies geht ganz problemlos), die Blattstängel bleiben, wie sie sind.



Kandierte Engelwurz
(nach einem Rezept aus „wild kochen“ von A. Eckmann, erschienen im christian Verlag)

Unglaublich gut, süß, knusprig, wie kandierte Ananas. Pur oder in dunkle Schokolade getaucht zum Knabbern, für Gebäck und Kuchen (wie Zitronat verwenden), als Verzierung für Weihnachtskuchen und Kekse.


Zutaten

Junge und frische Blüten- und Blattstängel – je mehr, desto besser
1 Liter Wasser
400 g Zucker

1. Die dickeren Stängel schälen (die Stängel haben hierfür eine „Sollbruchstelle“ – zu erkennen, wenn man von oben auf den Querschnitt blickt) und eventuell der Länge nach halbieren.

2. Wasser und Zucker aufkochen und die Stängel darin etwa 1 Stunde köcheln. Herd ausschalten und über Nacht ziehen lassen.

3. Stängel gut abtropfen lassen, auf Backpapier legen und in Staubzucker wälzen. Bei Zimmertemperatur trocknen lassen (dauert etwa 2 – 3 Tage).

4. Wenn die Stängel trocken sind, kann man sie in einem gut verschlossenen Gefäß einige Zeit aufbewahren.


Im Buch „wild kochen“ findet sich bei diesem Rezept der Hinweis, man könne den Sirup vom Kochen der Engelwurzstängel beispielsweise noch zum Süßen von Eis verwenden. Das kommt aber auf jeden Fall darauf an, wie viel Pflanzenmaterial darin gekocht wurde. Bei meinem Versuch waren es eindeutig zu wenige Stängel, der Sirup hat einfach nur süß geschmeckt und gar nicht nach Engelwurz. Außerdem wurde er nach drei Tagen ganz dickflüssig, fast geleeartig. Bei der Spurensuche entdeckte ich, dass die Engelwurz sehr viel Pektin enthält – möglicherweise die Erklärung dafür.
Ein aus meiner Sicht grandioses Rezept für Engelwurz-Sirup ist hingegen dieses hier:

Engelwurz-Sirup
(nach einem Rezept aus „Noch mehr Wildfrüchte, -gemüse, -kräuter“ von E. Mayer, erschienen im Leopold Stocker Verlag)

Zum Aromatisieren von Eis, Desserts und vielem mehr.


Zutaten

75 g junge Blütenstängel und Blattstängel
500 ml Wasser
500 g Zucker
Saft ½ Zitrone

1. Die Engelwurzstängel in etwa 3 cm lange Stücke schneiden und der Länge nach halbieren. Gemeinsam mit Wasser und Zucker aufkochen. Vom Herd nehmen und abkühlen lassen.

2. Den Zitronensaft beifügen und die Mischung nochmals aufkochen. Etwa 20 Minuten leicht köcheln lassen.

3. Den heißen Sirup mitsamt den Stängeln in Gläser mit weiter Öffnung füllen und gut verschließen.


Und noch ein raffiniertes Vorratsrezept:

Engelwurz-Zucker
(nach einem Rezept aus „wild kochen“ von A. Eckmann, erschienen im christian Verlag)

Wunderbar auf frischen Früchten, in Desserts oder Getränken. Die Körnigkeit des Zuckers lässt sich, je nach Vorliebe, von grob bis fein variieren.


Zutaten

Junge, weiche Engelwurzstängel
Zucker

1. Dickere, feste Stängel schälen. Alle Stängel in kleine Stücke schneiden.

2. Die Stängel mit dem Zucker in den Mixer geben (Stabmixer geht auch). Das Verhältnis Engelwurz zu Zucker ist dabei keine feste Größe. Die besten Ergebnisse habe ich mit 1 Teil Engelwurz und 2 Teilen Zucker erzielt, also zum Beispiel 50 g Engelwurzstängel + 100 g Zucker. Je mehr Zucker, desto weniger intensiv wird natürlich der Engelwurzgeschmack.

3. Durch das Mixen und Zerkleinern entsteht eine hellgrüne, feuchte Masse. Diese so dünn wie möglich auf Backpapier ausstreichen und vollständig trocknen lassen.

4. Ist die Masse getrocknet, kann man sie mit den Händen zerbröseln. Dabei entstehen größere Stücke. Gibt man alles noch mal in den Mixer, wird der Zucker fein. Mit der elektrischen Kaffeemühle wird’s pudriger Staubzucker.


Mit diesen drei Vorratsrezepten bleibt die Engelwurz noch eine Weile bei mir in der Küche. Sind kleine und große Engel zu Besuch, kann ich sie mit inspirierenden Geschichten und besonderen Geschmacknoten zum Staunen bringen:

Engelwurz-Eis

aus 2 frischen Eigelb und Engelwurz-Zucker oder –Sirup nach Geschmack (im Wasserbad aufschlagen) sowie 150 g steif geschlagenem Obers. Alles für einige Stunden in den Tiefkühler, bis die Masse durchgefroren ist. Mit kandierter Engelwurz garnieren.


Oder ganz was anderes? Die Suche nach besonderen, stimmigen Rezepturen ist noch nicht zu Ende. Ich spüre diese Kraft in mir. Und einen Engelwurz-Vorrat, den hab ich jetzt ja auch.