In Wohlstand und Überfluss lebend wendet
sich der Mensch gerne von grundlegenden Dingen ab und scheinbar weniger Banalem
zu: Er sucht sich ein Luxusproblem, an dem er kiefeln kann. Das ist beim Essen nicht anders - gerade dieser
Bereich ist so breit und dick eingestreut, dass er es sich auf einem dicken
Bett an Meinungen, Theorien und Glaubenssätzen gemütlich machen kann. Hier darf
er nun wählen zwischen einer omnivoren, flexitarischen, vegetarischen oder
veganen Essweise, er kann auf Zucker, Fett oder Gluten verzichten oder er kann
nach dem Heiligen Gral seiner Ernährung suchen, nach dem einen
Nahrungsbestandteil, der alles gut macht, alles heilt, der ihn wenn schon nicht
jünger, so zumindest alterslos macht.
Superfoods also. Sie sind bunt, exotisch,
geheimnisvoll. Die Zuckerstreusel auf dem Sahnehäubchen der Ernährungsdiskussion.
Ich muss zugeben: Von manchen, wie etwa Goji, Lucuma, Moringa oder Maca, weiß
ich gar nicht, wie sie schmecken. Bei anderen wieder, Mandeln, Kürbiskernen
oder Kokos, war mir ob ihrer Alltäglichkeit gar nicht bewusst, dass sie überhaupt
dazu gehören.
Gersten- oder Weizengras, Moringa,
Salate, Spinat, Gartenkräuter, Spirulina, Chlorella, Sauerkraut,
Shiitake-Pilze, Mandeln, Brokkoli, Karfiol, Weiß- und Rotkraut, Kohlsprossen,
Grünkohl, Rucola, Rettich, Radieschen, Kren, Kürbiskerne, Papaya, Traubenkerne,
Himbeeren, Brombeeren, Ribisel, Stachelbeeren, Heidelbeeren, Kokos, Açai, Aronia,
Goji, Acerola, Camu Camu, Granatapfel, Ingwer, Avocado, Kurkuma, Bienenpollen,
Honig, Leinsamen, Chiasamen, Matcha, Sprossen, Datteln, Hanf, Baobab,
Sonnenblumenkerne, Sauerkirschen, Cranberries, Äpfel. Außerdem: Wildpflanzen
wie Löwenzahn oder Brennnesseln.
Die Liste an Superfoods ist ewig lang –
und diese hier nur ein kleiner Auszug. Aber … was fällt auf? Von den Spezialisten
aus exotischen Gegenden abgesehen sind es auch viele, viele ganz normale,
heimische Lebensmittel, denen die Wissenschaft gesundheitliche Superkräfte
zuschreibt. Ich überlege: Ließe sich denn die Superfooddebatte derart
interpretiert gar auf den ganz basalen (und stinklangweiligen) Leitspruch Vielfältig essen umdenken? Ich glaube
schon – auch wenn das weit weniger sexy ist als die magischen Teufelskerle aus
Übersee. Superernährung statt Superfood!
Gerade in einer Welt, in der es die
Hälfte aller Menschen schon super fände, überhaupt Food in ausreichender Menge
(und hier sprechen wir noch gar nicht von Qualität!) zur Verfügung zu haben, klatsche
ich den Spirulinas und Moringas einen blattgoldverzierten Dekadenzorden auf die
geblähte Superbrust - und lobe mir die heimischen Alternativen, die etwas
schüchtern in der zweiten Reihe stehen und im Gegensatz zu den Posern geduldig darauf warten, entdeckt
zu werden. Auch mit ihnen lässt sich unser Essen aufwerten, ganz unaufgeregt
und zu einem weitaus kleineren ökologischen und monetären Aufwand: Wie wäre es
mit Brennnesselpulver statt Spirulina oder Chlorella, mit Dirndln statt
Gojibeeren, Leinsamen statt Chiasamen, Aronia, Heidelbeeren oder Ribiseln statt
Açai-Beeren, Himbeerblättermatcha statt
Grünteematcha? Oder mit Brennnesselsamen, Braunhirse, Hagebuttenpulver, Leinöl,
Walnüssen, Honig vom imkernden Nachbarn? Genauer hingeschaut ist mein ganzer Garten
voller Superfoods!!!
Dieses Wissen, eingebettet in meine ganz
grundsätzliche Ernährungsphilosophie*, macht schon ganz schön was her. Ich war
daher auch ganz angetan von der Idee von Sina und Christina, ein Blogevent zum
Thema Heimisches Superfood zu
veranstalten. So was von gern bin ich dabei (wenn auch auf den letzten Drücker)
– und freue mich schon sehr auf die Zusammenfassung. Danke ihr zwei Lieben!
Krafthonig
mit Brennnesselsamen
Mein
heimisches Superfood ist ganz klar die Brennnessel. Sie ist so vielfältig
verwendbar, so reich in ihrer Verfügbarkeit, so voller Potenzial für die
Gesundheit!
In
diesem Honig steckt die ganze Kraft der Brennnesselsamen. Andernorts habe ich
bereits über deren Vorzüge berichtet. Die Erntezeit ist leider so gut wie
vorbei, hier und da werden sich aber vielleicht noch brauchbare Samenstände
finden.
Der
Honig schmeckt auf dem Butterbrot genauso gut wie im selbst gemachten Knuspermüsli
oder über dickem, griechischem Naturjoghurt. Er stärkt und spendet Energie und
Kraft für den Tag. Wer seinen Krafthonig gänzlich aus heimischen
Nahrungsmitteln herstellen möchte, lässt Zitronenschale und Kurkuma weg.
Zutaten für ein kleines Glas
200 g Honig
20 g getrocknete Brennnesselsamen
20 g Blütenpollen
abgeriebene Schale von 1 Zitrone
¼ TL Kurkuma gemahlen
1. Alle Zutaten miteinander mischen und
in ein sauberes Glas mit Schraubverschluss füllen.
2. Fertig!
3. Mit der Zeit setzen sich die federleichten
Brennnesselsamen oben ab – vor dem Genuss daher immer kurz durchrühren.
Zuguterletzt noch ein (Zu-)Geständnis an
mich selbst: Bei aller berechtigten Kritik an den Auswüchsen unserer globalen
Nahrungswirtschaft – ganz ohne Avocados, Mandeln, Kokos, Ingwer oder Datteln
möchte ich auch nicht sein. Und für Chiasamen … für die habe ich eine Schwäche
entwickelt. So. Jetzt ist es raus.
*Wen es interessiert (und für mich zur
Dokumentation):
© Essen mit Bauchgefühl – was schmeckt mir, was tut mir
gut?
© Meinen Fokus richten auf regionale und saisonale
Lebensmittel, Altes und Traditionelles bewahren.
© Trotzdem aber offen bleiben für Neues, meine kulinarische
Neugier nicht verlieren, vieles ausprobieren, meinen Horizont erweitern.
© Nichts verbieten – von allem etwas, von nichts zu
viel.
© Vielfältig, abwechslungsreich, bunt essen. Reichlich
Wildpflanzen inklusive!
© Wissen, was ich esse – mein Essen kennen, mein Wissen
darum erweitern.
© Gelassen und entspannt sein im Umgang mit meiner
Ernährung.