Die Sachertorte ist die beliebteste Mehlspeise
Österreichs, las ich vor
geraumer Zeit in einer Pressemitteilung. Köstlich ist sie ja, dunkel und
schokoladig mit einem fruchtigen Kern, etwas trocken vielleicht und auf jeden
Fall braucht es einen Haufen Schlagobers dazu, nicht als bloße Dekoration am
Teller, sondern ganz im Gegenteil, als elementaren Bestandteil des
Sachertortenmenüs (eine Melange gehört wohl auch dazu).
Was aber, wenn ich
den Versuch wagen und dieses Heiligtum der österreichischen Konditoreikunst
nicht nur antasten und etwa die Marillenmarmelade durch eine andere Marmelade
ersetzen würde oder auch die aufwändige Sacherglasur durch eine einfache
Schokoladenglasur? Wenn ich also die Sachertorte nicht nur antasten, sondern
umkrempeln würde? Wenn ich sie ganz anders backen und glasieren würde, als
gewöhnt und bekannt? Zum Beispiel vegan?
Na sicher hab ich
den Versuch gewagt und die vegane Sachertorte dann mit großer Spannung und ganz
inkognito über drei Tage hinweg einer Reihe von Testpersonen vorgesetzt. Soviel
sei gleich einmal verraten: Das Ergebnis dieser Blindverkostung hat mich selbst
überrascht …
Testperson 1, männlich,
Mitte vierzig, deklarierter Omnivore, misstrauisch bei Foodtrends und diesen
grundsätzlich zuerst einmal abgeneigt, kostete vom ersten Stück mit großer
Aufmerksamkeit und Sorgfalt. Er kennt mich mittlerweile ziemlich gut und weiß
daher, dass etwas, das aus meiner Küche kommt und wie eine klassische Sachertorte
aussieht, nicht zwingend eine sein muss. Detektivisch tastete er sich an die
Torte heran:
Die schmeckt irgendwie anders. Nicht besser, aber
auch nicht schlechter als normal. Irgendwas stimmt da nicht … Meine Erklärung, die Torte sei vegan, hat
er schließlich mit einem Aha quittiert,
aber zu meinem Erstaunen gar nicht weiter kommentiert. Na gut, dann gleich
weiter zu:
Testperson 2,
weiblich, Mitte dreißig, mit Interesse fürs Thema, fand die Sachertorte
anfänglich gut, später dann mit dem Wissen um ihr Geheimnis vielleicht sogar
noch besser - interessanter allemal.
Testperson 3,
männlich, Mitte fünfzig, ein Esser der alten, hausmännischen Schule, der sich
aber auch Küchenexperimente gefallen lässt: Nach dem ersten Bissen ein
unüberhörbares Mmh, voi guat! Sein
Fazit: Wenn ein Kuchen schmeckt, ist es völlig wurscht, ob vegan oder nicht.
Testperson 4,
weiblich, Ende dreißig, eine echte Genießerin und außerdem die beste
Resteverwerterin der Welt: Ebenso wie Testperson 2 fand sie meine Sachertorte
gut und geschmacklich spannend, weil einfach einmal anders. Dass sie vegan
gebacken wurde, besaß für sie jedoch nur mäßiges Diskussionspotential und war
irgendwie normal.
Testperson 5,
männlich, mittleres Alter, geistlicher Würdenträger und kulinarischen Genüssen
ganz gewiss nicht abgeneigt, putzte die Torte ratzfatz vom Teller und verlor
darüber kein einziges Wort.
Testperson 6,
männlich, Mitte vierzig, Naturwissenschafter: Auch er bemerkte mit
pragmatischem Intellekt, dass hier etwas anders ist und scheute sich nicht, mir
das zu sagen. Meine Erklärung, die Sachertorte auf seinem Teller sei vegan, mündete
in einer anregenden Diskussion über missionierende Veganer, artgerechte
Tierhaltung und aufkeimende Projekte in der Region.
Testperson 7,
männlich, Mitte vierzig, ein genialer Koch mit leider viel zu wenig Zeit, mich
mit seinen kulinarischen Künsten zu verwöhnen: Die Torte schmeckte ihm offensichtlich,
allerdings war das Vegan-Thema schnell abgehakt, weil eines, das ihn aus
beruflichen Gründen mittlerweile ziemlich nervt.
Testperson 8,
männlich, 8 Jahre alt: Ihm hatte es die Schokoladenglasur angetan und mein
Angebot, die Reste aus dem Kühlschrank zu holen, nahm er natürlich begeistert
an. Seine Mama war weniger begeistert, aber hey: Wenn es was Gutes gibt, dann
muss man sich ranhalten, sonst kommt man zu kurz! Wusste schon Pippi
Langstrumpf.
Und schließlich:
Testperson 9, weiblich, Ende dreißig, Foodie aus Leidenschaft mit vegetarischen,
manchmal auch veganen Tendenzen: Das Mädel vom Land. Die vegane Sachertorte hat
mich wirklich überzeugt, obwohl ich beim Rezept ein bisserl jonglieren musste.
Sie schmeckt saftig und sehr schokoladig. Anders natürlich, denn Zutaten wie
Ahornsirup, Vollkornmehl und Pflanzenmilch bringen zusätzliche Dynamik ins
Geschmacksprofil. Aber dieses Anders ist ein gutes Anders, ein richtig gutes!
Das Beste jedoch kommt
zum Schluss: Testperson 1 und ich haben nach drei Tagen das letzte Stück
verdrückt. Und waren uns einig: Die Torte wird noch besser, wenn sie einige
Zeit durchziehen darf. Dann schmeckt sie nämlich – alle einmal herhören – besser als eine richtige Sachertorte.
Hat er gesagt. Ich schwöre.
Vegane Sachertorte
Zutaten für eine
Springform (26 cm)
Für den Teig
140 g Vollkornmehl
128 g glattes
Weizenmehl
62 g Kakaopulver
100 g Staubzucker
10
g Backpulver
10 g Natron
1 Prise Salz
120
ml Rapsöl
240
ml Ahornsirup
420
ml Pflanzenmilch (ich: Mehrkornmilch)
2
TL Apfelessig
Zum Füllen
Marillenmarmelade
Für die Ganache
600
g Zartbitterschokolade 70 %
450
ml Mandelmilch
3
EL Zucker
1
Prise Salz
3
TL Rapsöl
Zum Verzieren
1
Rippe Zartbitterschokolade 70 %
1.
Backrohr auf 180 °C vorheizen.
2.
Den Boden der Springform mit Backpapier auslegen oder die Form befetten und
bemehlen.
3.
Für den Teig Vollkornmehl, Weizenmehl, Kakaopulver, Staubzucker, Backpulver,
Natron und Salz vermischen.
4.
In einer weiteren Schüssel Rapsöl mit Ahornsirup, Pflanzenmilch und Apfelessig
vermischen.
5.
Die feuchten Zutaten zu den trockenen geben und alles gut verrühren. Der Teig,
der dabei entsteht, ist eher flüssig.
6.
Teig in die vorbereitete Form füllen und etwa 30 Minuten backen. Stäbchenprobe
machen. Kuchen aus dem Ofen nehmen, kurz überkühlen lassen und aus der Form
lösen. Vollständig auskühlen lassen.
7.
In der Zwischenzeit die Ganache zubereiten: Zartbitterschokolade fein hacken
und in eine hitzebeständige Schüssel geben. Mandelmilch mit Zucker und Salz in
einen Topf geben und aufkochen. Die heiße Milch über die gehackte Schokolade
gießen, sodass die gesamte Schokolade bedeckt ist. Die Schüssel abdecken und 4
Minuten stehen lassen.
8.
Nach den 4 Minuten das Rapsöl zur Schokolademischung geben und rühren, bis
alles gut vermengt, die Schokolade geschmolzen und die Ganache glatt und glänzend geworden ist.
9.
Die Ganache bei Raumtemperatur stehen lassen, damit sie andicken kann. Dabei
öfters durchrühren und hin und wieder die Konsistenz prüfen: Sobald sie den
Rücken eines Löffels schön überzieht und nur mehr schwer vom Löffel tropft,
kann sie zum Glasieren verwendet werden.
10.
Tortenboden quer halbieren. Beide Hälften so auf die Arbeitsfläche legen, dass
die Innenseiten nach oben zeigen.
11.
Beide Innenseiten mit jeweils 6 – 7 EL Ganache bestreichen. Kurz einziehen
lassen. Dann eine der beiden Innenseiten mit einigen EL Marillenmarmelade
bestreichen. Tortenböden vorsichtig wieder zusammensetzen (Innenseiten innen,
eh klar J).
12.
Torte auf ein Glasurgitter stellen und großzügig mit der Ganache glasieren. Es
bleibt einiges an Ganache übrig, sie kann jedoch einige Tage im Kühlschrank aufbewahrt
und anderweitig verwendet werden.
13.
Die Glasur im Kühlschrank oder in einem kühlen Raum fest werden lassen.
14.
Für die Dekoration die Zartbitterschokolade schmelzen. Aus Butterpapier eine
kleine Spritztüte falten. Schokolade in die Spritztüte füllen und die Torte
damit verzieren.
Nach einem Rezept aus dem
Buch Vegan
Chocolate von Fran Costigan, erschienen
bei Running Press. Das Buch ist mittlerweile auch in deutscher Sprache
erhältlich.