Der
Glutenfreiwahnsinn treibt mich manchmal in den selbigen. Brot mache dick, dumm
und krank, heißt es und tatsächlich hat diese These Erfolg. Bereits 30 % der US-Amerikaner geben an, weitgehend auf glutenhältige Lebensmittel zu verzichten.
30 %! Herrschaftszeiten. Also, von den echten und diagnostizierten
Unverträglichkeiten natürlich komplett abgesehen: Was bringt uns Menschen dazu,
etwas so Elementares und Kostbares wie die eigene Ernährung derart zu
verkomplizieren, ganz freiwillig noch dazu?
Aber da
gibt’s doch Studien dazu, heißt es jetzt vielleicht. Und hey, natürlich gibt es
die! Aber wie heißt es so schön? Papier
ist geduldig. Selbst die renommiertesten Wissenschaftler müssen sich
eingestehen, dass sie nichts wissen. Oder anders ausgedrückt: Dass ihre eigenen
Erkenntnisse eben nur bis zu jenem Tage Gültigkeit besitzen, an dem ein anderer
sie widerlegt.
Auch in der
Ernährungswissenschaft gibt es diese Diskussion und ich habe mich ehrlich
gefreut über die offenen Worte von Univ.-Prof. Dr. Jürgen König,
Institutsvorstand am Department für Ernährungswissenschaften der Uni Wien. In seinem
Artikel im Magazin ernährung heute mit
dem treffenden Titel Wie viel
Wissenschaft braucht Ernährung? beschreibt er genau dieses Dilemma:
Unser Talent, rasche
Schlussfolgerungen zu ziehen, verleitet uns allzu schnell dazu, Muster in
eigentlich zufälligen Daten zu erkennen und alternative Erklärungen für ein
bestimmtes Ergebnis zu ignorieren oder zunächst vernünftig erscheinende
Ergebnisse ohne weiteres Hinterfragen zu akzeptieren.
Und weiter:
Zu nahezu jedem Nährstoff lassen sich
Publikationen aus Peer-Reviewed-Journals finden, die einen Zusammenhang mit
nahezu jedem Endpunkt angeben.
Puh, das ist
starker Tobak, oder? Aber wahr halt auch. Wissenschaftliche Ergebnisse aus der
anderen Ecke gefällig? Bitteschön. Glutenverzicht kann demnach für Gesunde ganz
schön ungesund sein, weil damit oft auch der Vollkornkonsum reduziert wird, was
wiederum die Darm- und Herzgesundheit gefährdet.
Der Weg aus
der Klemme zeichnet sich für mich völlig klar: Nicht auf teils wirre Geister hören, sondern
auf sich selbst und den eigenen Körper. Was bekommt mir? Und was verschafft mir
Unwohlsein? Würden wir dieser wichtigen inneren Stimme mehr Bedeutung schenken,
so lösten sich viele Probleme von ganz allein.
Brennnessel-Brötchen mit
Wildkräutertopfen
Diese Brennnessel-Brötchen sind
gänzlich glutenunfrei und schmecken wahnsinnig gut – am besten natürlich ganz
frisch und in Wildkräutertopfen getunkt. Auf die Empfehlung von Lutz Geißler
hin (beschrieben in seinem tollen Buch Brot backen in Perfektion) habe ich zwei Dinge beherzigt, um das Teiggerüst der Dinkelbrötchen
zu stärken, nämlich ein Mehlkochstück eingearbeitet und Vitamin C in Form von
Zitronensaft hinzugefügt.
Für 1 großen
Brötchenkranz oder 2 kleine
Für das Mehlkochstück
20 g glattes Dinkelmehl
100 g Wasser
1 TL Salz
Für den Hauptteig
50 g gehackte
Brennnesselblätter
330 g glattes
Dinkelmehl
10 g frische
Hefe
1 TL Honig
3 EL Olivenöl
Saft von ½
Zitrone
175 ml
Joghurt-Wasser-Gemisch oder Buttermilch
das Mehlkochstück
Außerdem
10 – 12
schöne Brennnesselblätter
Olivenöl
Fleur de Sel
Für den Wildkräutertopfen
250 g Topfen
20 % Fett i. Tr.
125 g
Sauerrahm
2 - 3
Handvoll Wildkräuter nach Geschmack (Giersch, Gundelrebe, Gänseblümchen,
Bärlauch, …)
Saft und
Schale von ½ Zitrone
Salz, Pfeffer
etwas Senf
1. Für das
Mehlkochstück Wasser, Mehl und Salz in einem Topf verrühren und unter Rühren
aufkochen. Wenn die Masse andickt, vom Herd nehmen, in eine Schüssel umfüllen, das
Kochstück direkt mit Frischhaltefolie bedecken und bei Raumtemperatur
mindestens 2 Stunden abkühlen lassen.
2. Für den
Hauptteig alle Zutaten vermengen und einige Minuten mit dem Knethaken der Küchenmaschine
bei mittlerer Geschwindigkeit kneten. Mit einem sauberen Geschirrtuch abdecken
und etwa 1 Stunde an einem warmen Ort gehen lassen, bis sich das Volumen
verdoppelt hat.
3. Den Teig
auf die bemehlte Arbeitsfläche geben und kurz durchkneten. In 10 oder 12 Stücke
teilen (je nachdem, ob man einen größeren oder zwei kleinere Brötchenkränze
backen will).
4. Die Stücke
rund schleifen.
5. Teiglinge
auf mit Backpapier ausgelegten Blech(en) anordnen (1 x 10 oder 2 x 6
Teiglinge). Dabei kann zwischen den Teiglingen ruhig etwas Platz sein, diese
Freiräume verschwinden dann während der Gare und dem Backen.
6. Die Oberfläche
der Teiglinge mit Olivenöl einstreichen.
7. Die schönen Brennnesselblätter kurz in Wasser legen, damit sie später beim Backen nicht
verbrennen. Die nassen Blätter auf die Brötchen legen und leicht andrücken,
nochmals mit Öl bestreichen und mit Fleur de Sel bestreuen.
8. Den
Backofen auf 230 °C Heißluft (bei zwei Kränzen) oder 250 °C Ober-/Unterhitze
(bei einem Kranz) vorheizen.
9. Sobald der
Ofen vorgeheizt ist, sind auch die Brötchen ausreichend gegangen. Brötchen mit
Schwaden in den Ofen geben und die Temperatur sofort auf 180 °C Heißluft / 200
°C Ober-/Unterhitze reduzieren.
10. Nach etwa
10 Minuten die Ofentüre weit öffnen, um den Dampf abzulassen, dann wieder
schließen.
11. In
weiteren 10 – 20 Minuten fertig backen (Backzeit insgesamt 20 – 30 Minuten).
12. Die
Brötchen auf einem Kuchengitter abkühlen lassen.
13.
Währenddessen den Wildkräutertopfen vorbereiten: Die Wildkräuter fein hacken
und mit den restlichen Zutaten vermischen. Würzig abschmecken und in einem
hübschen Schüsselchen anrichten. Wer mag, garniert mit in Streifen
geschnittenen Wildkräutern und Gänseblümchen.
Die Inspiration für diese schönen
Brötchen habe ich aus dem Kundenmagazin von Hofer, wenig später habe ich sie
auch bei Conny entdeckt.
P.S.: Warum
das Minimädel trotz alledem einen glutenfreien Gugelhupf zum siebenten
Geburtstag bekam? Das ist wieder einmal eine andere, aber lustige Geschichte.
Ich erzähle sie euch demnächst.
P.P.S.: Nachtrag August 2020 - ACHTUNG - Dieses Rezept ist NICHT glutenfrei, auch wenn man aufgrund des Posttitels, der das Wort glutenUNfrei in sich trägt, durchaus darauf kommen könnte. Schnell drüber gelesen ist eben schnell passiert ...